Wer im Supermarkt zur Packung Tiefkühlgarnelen greift, erwartet meist ein hochwertiges Meeresprodukt. Die Verkaufsbezeichnungen auf den Produkten erzählen jedoch nicht immer die ganze Geschichte. Zwischen Garnelen, Shrimps, Prawns und verschiedenen Zusatzbezeichnungen verbirgt sich ein komplexes System, das die Einschätzung der tatsächlichen Qualität erheblich erschwert. Dabei existieren unterschiedliche Garnelenarten, die sich in Größe, Herkunft und Verarbeitung stark unterscheiden können.
Das Verwirrspiel mit unterschiedlichen Bezeichnungen
Die Bezeichnungsvielfalt bei Tiefkühlgarnelen ist für Laien kaum zu durchschauen. Während manche Packungen schlicht Garnelen aufdrucken, finden sich auf anderen Produkten Begriffe wie Shrimps, Riesengarnelen, King Prawns oder Scampi. Diese Begriffe werden häufig synonym verwendet, obwohl sie teilweise unterschiedliche Arten oder Größenklassen bezeichnen sollten. Das eigentliche Problem liegt jedoch tiefer: Die Verkaufsbezeichnung verrät meist nichts über den tatsächlichen Verarbeitungszustand und die damit verbundene Qualität des Produkts.
Rechtlich gesehen sind die Anforderungen an Verkaufsbezeichnungen bei Tiefkühlgarnelen überraschend vage. Anders als bei vielen anderen Lebensmitteln gibt es keine einheitliche EU-weite Regelung, die genau festlegt, was eine Bezeichnung beinhalten muss. Das führt dazu, dass Hersteller einen beträchtlichen Spielraum haben, ihre Produkte zu benennen – und diesen Spielraum nutzen sie auch.
Der versteckte Wassergehalt als Qualitätsfaktor
Ein besonders kritischer Punkt, der in der Verkaufsbezeichnung praktisch nie transparent gemacht wird, ist der Wassergehalt der Garnelen. Viele Tiefkühlgarnelen werden vor dem Einfrieren in eine Lösung getaucht, die sogenannte Glasur. Garnelen werden vor dem Einfrieren glasiert, damit diese Eisschicht sie vor Austrocknung schützt. In der Praxis führt dies jedoch dazu, dass Verbraucher teilweise für erhebliche Wassermengen bezahlen, ohne dies auf den ersten Blick zu erkennen.
Die Verkaufsbezeichnung Garnelen sagt nichts darüber aus, ob das Produkt eine dünne Schutzglasur oder eine dicke Eisschicht trägt. Während der Glasuranteil auf der Verpackung angegeben werden muss, steht diese Information oft klein gedruckt im hinteren Bereich und wird bei der prominenten Verkaufsbezeichnung auf der Vorderseite komplett ausgeblendet.
Wenn die Kühlkette unterbrochen wird
Problematisch wird es, wenn die Glasur durch Temperaturschwankungen abtaut und wieder einfriert. Untersuchungen von ÖkoTest aus dem Jahr 2024 dokumentierten bei mehreren Produkten starke Eis- und Schneeablagerungen. Bei den Rainbow Jewels Costa Rica Shrimps und den Iglo Del Mar Natur Gourmet-Garnelen stellten die Tester fest, dass Unterbrechungen der Kühlkette zu Eisbildung und Gefrierbrand geführt hatten. Beide Hersteller bestätigten diese Kühlketten-Probleme.
Verarbeitungsgrade bleiben im Dunkeln
Ein weiteres Problem der aktuellen Kennzeichnungspraxis betrifft den Verarbeitungsgrad. Garnelen können in unterschiedlichsten Zuständen verkauft werden: roh oder gekocht, mit oder ohne Schale, mit oder ohne Darm, mit oder ohne Kopf. Diese Unterschiede haben massive Auswirkungen auf den tatsächlichen Wert des Produkts und den Arbeitsaufwand bei der Zubereitung.
Während manche Hersteller Zusätze wie küchenfertig oder bereits gekocht verwenden, verzichten andere komplett auf solche Hinweise. Das führt zu Situationen, in denen Verbraucher erst nach dem Öffnen der Packung feststellen, dass die Garnelen noch komplett ausgenommen werden müssen – oder umgekehrt, dass sie bereits vorgekocht sind und somit für bestimmte Zubereitungsarten weniger geeignet. Besonders irreführend wird es, wenn die Verkaufsbezeichnung bildlich mit frischen oder naturbelassenen Assoziationen arbeitet, obwohl das Produkt mehrfach verarbeitet wurde.
Qualitätsunterschiede durch Herkunft und Zucht
Die Verkaufsbezeichnung gibt auch keinen Aufschluss über fundamentale Qualitätsunterschiede zwischen Wildfang und Aquakultur. Dabei können diese Unterschiede den Geschmack, die Konsistenz und auch die Schadstoffbelastung erheblich beeinflussen. Während die Herkunft irgendwo auf der Verpackung angegeben sein muss, fließt sie in die prominente Verkaufsbezeichnung nicht ein.
Garnelen aus Aquakulturen werden unter sehr unterschiedlichen Bedingungen gezüchtet. Manche Zuchtbetriebe arbeiten extensiv mit geringer Besatzdichte, andere setzen auf intensive Zucht mit entsprechendem Medikamenteneinsatz. Diese fundamentalen Unterschiede spiegeln sich in der simplen Bezeichnung Garnelen nicht wider. Ein Verbraucher, der ein Premium-Produkt erwartet, erhält möglicherweise Massenware aus intensiver Zucht – ohne dass die Verkaufsbezeichnung darauf hinweist.

Siegel garantieren nicht automatisch gute Qualität
Stiftung Warentest warnte 2022 in einer umfassenden Untersuchung von 18 Tiefkühlgarnelen-Produkten ausdrücklich davor, sich blind auf Siegel zu verlassen. Auch wenn Zertifizierungen wie Naturland, ASC oder MSC grundsätzlich sinnvoll sind, garantieren sie nicht automatisch eine gute Qualität. Verbraucher sollten zusätzlich auf Herkunfts- und Produktionsangaben achten.
Die Größenangaben-Problematik
Auch bei den Größenangaben herrscht Verwirrung. Während international ein numerisches System üblich ist, das die Anzahl der Garnelen pro Pfund oder Kilogramm angibt, verwenden viele Hersteller im deutschsprachigen Raum beschreibende Begriffe wie klein, mittel oder groß. Diese Bezeichnungen sind jedoch nicht standardisiert.
Was der eine Hersteller als Riesengarnelen verkauft, kann bei einem anderen als große Garnelen firmieren. Ohne einheitliche Definition führt dies zu Produkten, die trotz unterschiedlicher Verkaufsbezeichnungen identisch sein können – oder umgekehrt, trotz gleicher Bezeichnung deutlich unterschiedliche Größen aufweisen. Für Verbraucher, die eine bestimmte Menge für ein Rezept benötigen, wird die Planung zum Glücksspiel.
Zusatzstoffe und Behandlungen im Verborgenen
Während Zusatzstoffe grundsätzlich deklariert werden müssen, gibt die Verkaufsbezeichnung keinen Hinweis darauf, dass das Produkt überhaupt behandelt wurde. ÖkoTest dokumentierte 2024 in einer Untersuchung von 19 Tiefkühlgarnelen explizit den Einsatz von Phosphat bei Produkten des Anbieters Costa. Phosphat erhöht die Wasserbindung und soll die Meerestiere bei der Zubereitung saftiger machen.
Diese Behandlungen haben nicht nur Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch auf Geschmack und Konsistenz. Die Verkaufsbezeichnung Garnelen klingt gleich – unabhängig davon, ob das Produkt naturbelassen oder mehrfach behandelt wurde.
Wenn Geschmack und Belastungen zum Problem werden
Besonders problematisch wird es, wenn Garnelen nicht nur unzureichend gekennzeichnet sind, sondern auch geschmackliche Mängel oder Schadstoffbelastungen aufweisen. Stiftung Warentest stellte 2022 bei mehreren Produkten erhebliche Probleme fest. Die Garnelen der Edeka-Handelsmarken Gut & Günstig und Edeka Bio schnitten nur mit ausreichend ab. Sie schmeckten unter anderem leicht fischig, leicht alt oder leicht modrig.
Besonders gravierend: Die Edeka Bio-Garnelen waren zusätzlich hoch mit Chlorat belastet. Chlorat kann bei der Verarbeitung etwa über chloriertes Trinkwasser auf Lebensmittel übergehen und im Übermaß die Jodaufnahme hemmen. Auch die Garnelen von Escal erhielten nur die Note ausreichend und wiesen ähnliche Geschmacksmängel auf.
Worauf Verbraucher achten sollten
Um trotz unzureichender Verkaufsbezeichnungen eine informierte Kaufentscheidung zu treffen, lohnt sich der Blick über die große Aufschrift hinaus. Das Kleingedruckte auf der Rückseite verrät oft mehr über das tatsächliche Produkt als die marketingoptimierte Vorderseite. Der Glasuranteil sollte möglichst niedrig ausfallen, damit Sie mehr tatsächliches Produkt für Ihr Geld erhalten. Das Abtropfgewicht gibt an, wie viel vom Produkt nach dem Auftauen tatsächlich essbar ist.
Lange Zutatenlisten mit Zusatzstoffen wie Phosphat deuten auf starke Verarbeitung hin. Die Herkunftsangaben geben Hinweise auf Zuchtmethoden und Produktionsstandards. Im Zweifelsfall lohnt es sich beim Personal nachzufragen, ob die Garnelen roh oder gekocht, geschält oder ungeschält sind. Starke Eis- und Schneeablagerungen in der Packung deuten auf Kühlketten-Unterbrechungen hin. Zertifizierungen sind hilfreich, aber keine Garantie für einwandfreie Qualität.
Die positive Seite: Gute Produkte sind verfügbar
Trotz aller Kritikpunkte an der Kennzeichnung ist die Situation nicht hoffnungslos. Die Untersuchung von Stiftung Warentest aus dem Jahr 2022 zeigt, dass immerhin 11 von 18 getesteten Produkten mit gut bewertet wurden. Es gibt also durchaus hochwertige Tiefkühlgarnelen im Handel – man muss nur wissen, worauf man achten sollte.
Die aktuelle Praxis der Verkaufsbezeichnungen bei Tiefkühlgarnelen lässt Verbraucher weitgehend im Unklaren über das, was sie tatsächlich kaufen. Zwischen identisch klingenden Produkten können Welten liegen – in Bezug auf Verarbeitungsgrad, Qualität, Herkunft und Preis-Leistungs-Verhältnis. Wer bewusst einkaufen möchte, muss derzeit selbst genau hinsehen und die Verpackung gründlich studieren. Eine Reform der Kennzeichnungsvorschriften, die aussagekräftigere und standardisierte Verkaufsbezeichnungen vorschreibt, wäre hilfreich für informierte Kaufentscheidungen.
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